STILLE PRÄSENZ
Künstlerische Zwischenzonen bei Barbara Bühler, Bruno Klomfar und Dan Eidenbenz
Bruno Klomfar und Barbara Bühler schöpfen aus ihren Erfahrungen als Architekturfotografen und machen sie für ihre künstlerische Arbeit produktiv. Mit ihren Projekten, die im Kunstraum Engländerbau zu sehen sind, durchkreuzen sie die Spielregeln einer traditionellen Auffassung der Architekturaufnahme und geben neue Sichten frei. Dabei schöpfen sie aus ihren Archiven, arbeiten mit fotografischen Randnotizen oder pointieren in fotografischen Gegenbildern.
Dan Eidenbenz öffnet mit seinem skulpturalen Ensemble aus Baugerüst, Spanngurten und Marmorquader einen Kontext, in dem sich das fotografische Programm von Klomfar und Bühler entfaltet. Das Baugerüst steht hier metaphorisch als Anfangspunkt und Rest jeder baulichen Anstrengung. Der Marmorblock bildet in seiner steinernen Präsenz einen konkreten Raumkörper von Gewicht. Die Gurte dagegen, die den Stein als verdichtete Masse frei über dem Boden in der Schwebe halten, bilden in ihrer schwingenden Präsenz eine ganz eigene, nur schwer greifbare Sphäre. Als Rauminstallation gerät dieses Ensemble zum Bild darüber, was Bruno Klomfar und Barbara Bühler über ihre Fotografien verhandeln: Zwischen baulicher Präsenz und Umgebungsraum existieren eine Fülle von Atmosphären und Zuständen - oftmals Zustände des "Dazwischen" oder des "Mehr" -, die bildnerisch zu bearbeiten ihnen zur Aufgabe geworden ist.
Barbara Bühler arbeitet mit den Notizen einer Architekturfotografin. Das Polaroid als Probeaufnahme dient ihr als Hilfsmittel, um Sichten auf eine räumliche Situation unmittelbar im Bild zu fixieren und zugleich zu prüfen. Als Testbilder stellten Polaroids lange Zeit die Arbeitsgrundlage dar, mithilfe derer Fotografen ihren Zugang zur Architektur und ihre Bildsprache entwickelten. Im Grunde verhielten sie sich wie Vorzeichnungen zu einem Gemälde. Neuere Bildtechnologien haben die Verwendung des Polaroids weitgehend abgelöst. Die Architekturfotografie operiert heute bis auf wenige Ausnahmen auf der Grundlage der digitalen Bilderzeugung und -bearbeitung. Die meisten Fotografen arbeiten also mit Technologien, die selbst keine materielle haptische Präsenz mehr erzeugen, ihre Bilder gründen auf Berechnungen, nicht auf Lichteinschreibungen. Diesen Raum der unmittelbaren Erfahrung aber betont Barbara Bühler mit der Wahl des Mediums Polaroid. Mit der Betonung des Trägermaterials sowie mit der Thematisierung der analogen Technik als Form der direkten, unmittelbaren und unveränderlichen Lichteinschreibung auf Papier geraten die Aufnahmen von Barbara Bühler schon auf einer formalen Ebene zu einem anachronistischen Statement zur zeitgenössischen Architekturfotografie.
Die Eigenart sowohl ihrer farbigen wie auch der schwarzweißen Bilder liegt in ihrer spezifischen Sicht, die ausschließlich Innenräume zeigt. Sie arbeitet gegen eine Übersicht gebende Darstellung, und fokussiert auf Details. Es sind Zwischenzonen, die Barbara Bühler fotografisch dokumentiert, Zonen, die Räume aufteilen oder als architektonische Einheit gar zerfallen lassen. Anders als die typischen (zentral-) perspektivischen Übersichten, die das Genre der Architekturfotografie begleiten, arbeitet Barbara Bühler mit ihren Bildern konsequent an einer grafischen Darstellung des Raumes. Damit gelingt es ihr quer zu einer neutral-cleanen Sicht vielmehr Atmosphären wiederzugeben, mit denen sie an die Imaginationen ihrer Betrachter appelliert.
Zwischenzonen interessieren auch Bruno Klomfar - doch arbeitet er ganz anders. Auch er zeigt Bilder, die auf Details fokussieren, und die nur wenig mit dem klassischen Programm einer repräsentativen Sicht auf Architektur zu tun haben. Seine Bilder aber sind in der Perspektivensetzung vollkommen anders aufgebaut. Während der Blick des Betrachters der Bilder von Barbara Bühler an der Oberfläche abperlt und er sich selbst einen Weg in das Bild hinein suchen muss, lenkt Bruno Klomfar in allen seinen Fotografien sehr gezielt die Blicke seiner Betrachter, indem seine Bildkompositionen immer auf einen Fluchtpunkt hin zielen. Während Bühler ein atmosphärisches "Dazwischen" thematisiert, thematisiert Klomfar eher das "Zuviel" seiner Räume, indem er Dinge aufspürt, die immer auch da sind, die aber einer repräsentativen Sicht zuwiderlaufen.
Seine Bilder bestechen durch Opulenz und Kleinteiligkeit, durch das "Zuviel", das die aufgenommenen Räume aber wesentlich mitstrukturiert. Der Faktor Zeit ist in diesen Bildern wesentlich: In ihnen verweben sich unterschiedliche Zeitlichkeiten, die Bilder zeugen davon, dass Zeit durch den Raum hindurchgeht und ihn entwickelt, ihn verändert, manchmal auch zerstört. Architektur wird hier jenseits ihrer ihr jeweils zugedachten Funktion als ein veränderliches Projekt aufgefasst, als ein Projekt in permanenter Entwicklung - Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges fallen in Klomfars Bildern zusammen und begründen ein Eigenexistenz. Er führt Architektur als Hülle vor. Ihre Innen- und Außenhaut wird zu einem sich permanent verändernden Gewebe, das Alterungsprozesse durchlebt und Erneuerungen unterzogen wird.
Als ein Beispiel kann hier eine Filmarbeit gelten, die in nur einer Einstellung, in einer Art Fotofilm, eine hybride architektonische Konstruktion vor einer Meereskulisse zeigt. Auch nach intensiver Betrachtung wissen wir nicht, was dieses Objekt darstellen soll. Ein Baugerüst? Ein Provisorium? Schon Architektur? Noch Architektur? Eine Skulptur? Was wir sehen lässt sich nicht genau identifizieren, und erste Anzeichen des Verfalls haben sich diesem Baukörper bereits eingeschrieben, noch bevor er zu dem werden konnte, was einst als seine Bestimmung vorgesehen war.
Zugleich vermitteln sich Atmosphären, die über ein rein visuelles Abtasten dieses unbekannt bleibenden Objekts hinausgehen. Sie sind den Geräuschen zu verdanken, die in dieses filmische Bild hineinwehen: die Geräusche von Wind, vom Meer, von Vögeln, etc. Es sind Geräusche, die durch das Bild hindurchgehen, Geräusche, die immer noch da sein werden, wenn sich diese Architektur längst zersetzt hat oder durch eine andere räumliche Struktur ersetzt wurde, und mit der der Umgebungsraum Landschaft eine wieder andere Prägung erhalten wird.
Diesen Sound mitzudenken und ihn mit ins Bild zu holen, ist das künstlerische Programm von Barbara Bühler und Bruno Klomfar.
Maren Lübbke-Tidow, 22.9.2016
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